Stadtkirche St. Jakob (Rothenburg ob der Tauber)

Die evangelisch-lutherische Stadtpfarrkirche St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber wurde zwischen 1311 und 1484 erbaut. Dabei wurde der Ostchor 1322 vollendet, nach einer Baupause wurde das Hauptschiff zwischen 1373 und 1436 errichtet. Der eine Straße überbrückende Westchor mit der Heilig-Blut-Kapelle wurde zwischen 1453 und 1471 erbaut. Die Weihe erfolgte 1485. 1544 wurde die Reformation eingeführt. Zwischen 2005 und 2011 wurde die Kirche aufwendig saniert. Die Kosten des Gesamtprojekts belaufen sich auf rund 9 Millionen Euro.

Auffällig ist an der von außen schlicht wirkenden gotischen Kirche, dass sie zwei unterschiedlich hohe Türme besitzt (Südturm: 55,2 m, Nordturm 57,7 m). Die Maßwerkfenster des Ostchors sind mit sehr wertvollen Gemälden geschmückt, dabei stammen die ältesten aus dem Jahr 1350, weitere aus dem Jahr 1400.

Altäre

Heiligblutaltar

In dieser bedeutenden Kirche befindet sich auf der Westempore das berühmte Heiligblut-Retabel des Würzburger Bildschnitzers Tilman Riemenschneider, das er zwischen 1500 und 1505 für eine Heilig-Blut-Reliquie geschnitzt hat. Diese Reliquie wird im Gesprenge in einer Bergkristallkapsel des Reliquienkreuzes aufbewahrt (ca. 1270). Bei der Heilig-Blut-Reliquie soll es sich um einen während des Abendmahls aus dem Kelch verschütteten Tropfen handeln, der durch die Wandlung zum Blut Christi wurde.

1499 wurde das Gehäuse vom Rat der Stadt Rothenburg bei Erhart Harschner in Auftrag gegeben. Der Vertrag mit Tilman Riemenschneider für die skulpturelle Ausstattung ist mit dem 15. April 1501 datiert. Am 8. Mai 1502 wurde der Schrein im Westchor der Jakobskirche zusammen mit dem Reliquienkreuz aufgestellt. Die Figuren wurden bis zum Januar 1505 ergänzt.

Themen der figürlichen Ausgestaltung sind der Einzug in Jerusalem (heraldisch rechter Flügel), das Abendmahl (Schrein) und der Ölberg (heraldisch linker Flügel). Innovativ waren dabei nicht nur die grandiose Schnitztechnik des Meisters, sondern auch die monochrome Fassung und die Gestaltung des Retabels als ständiges, unveränderliches Schaustück (die Flügel sind auf den Werktagsseiten nicht gestaltet). Der durchbrochene Schrein und die raffinierte Reliefausarbeitung verbinden sich mit einer revolutionären Lichtdramaturgie, wie man sie bis dahin noch nicht gekannt hatte.

Die zentrale Figur ist Judas, nicht, wie sonst üblich, Jesus selbst. Judas und Jesus haben überdies eine erstaunliche Ähnlichkeit in den Gesichtszügen. Die Figur des Judas kann aus dem Bild herausgenommen werden und verdeckt den Spalt zwischen den beiden Reliefblöcken des Schreins. Erst bei Herausnahme der Figur des Judas wird der dahinterliegende Apostel Johannes voll sichtbar; dieser hat den Kopf auf seine Arme gebettet und schläft.

Zwölf-Boten-Altar

Der Hauptaltar der Kirche ist der Zwölf-Boten-Altar aus dem Jahr 1466. Der spätgotische Flügelaltar enthält eine geschnitzte Kreuzigungs- und Heiligengruppe und steht im Ostchor der Kirche. Neben den Flügeln und der Predella ist der Altar an den Außenseiten und der Rückseite bemalt. Die Bilder des Altars stammen von Friedrich Herlin, die plastischen Bildwerke wohl aus der Ulmer Schule unter dem Einfluss Hans Multschers. Der Altarkorpus wurde von dem Tischler Hans Waidenlich gefertigt, der zusammen mit Herlin 1462 bereits den Hochaltar der Nördlinger St. Georgskirche geschaffen hatte. Auf der Rückseite der Seitenflügel (Werktagsseite) sind die älteste Darstellung der Stadt Rothenburg ob der Tauber und sehr seltene Bildlegenden von Jakobspilgern zu sehen, die im Zusammenhang mit der Jakobus-Legende stehen. Die Ausführung folgt dem Muster des Nördlinger Altars, der wohl von Nikolaus Eseler dem Älteren entworfen wurde.

Der gute Zustand des Altarinnern rührt wahrscheinlich auch daher, dass er nach der Reformation über einen längeren Zeitraum geschlossen gehalten wurde. Da die nun sichtbaren Jakobus-Darstellungen zu katholisch erschienen, wurden sie 1582 von dem Maler Martin Greulich mit Szenen der Passion Christi übermalt. Nur die beiden Hintergründe der beiden mittleren Bilder, von denen das eine den Rothenburger Marktplatz zeigt, blieben unangetastet. Die Gemälde wurden 1922 restauriert und wieder in den originalen Zustand gebracht.

Weitere Altäre

Weitere Kleinode in der Kirche sind der Ludwig-von-Toulouse-Altar von Tilman Riemenschneider mit Jakob Mülholzer zugeschriebenen Flügeln und der Maria-Krönungs-Altar (mit Bildwerken aus verschiedenen Jahrhunderten, darunter auch der Riemenschneider-Schule).

Orgel

Die große Orgel von St. Jakob wurde 1968 von Rieger Orgelbau (Vorarlberg) erbaut und hat 69 Register mit etwa 5.500 Pfeifen. Die Orgel hat zwei Prospektseiten und verfügt über zwei Spieltische: einen viermanualigen Hauptspieltisch auf der Vorderseite, und einen zweimanualigen Nebenspieltisch auf der Rückseite (dem das Schwellwerk und Brustwerk sowie fünf eigene Pedalregister im Pedalwerk II zugeteilt sind). Die Spieltrakturen sind mechanisch (Schleifladen; Kegelladen in der großen Oktave des Pedals), die Registertraktur ist elektrisch. Für 2019/2020 ist eine umfassende Renovierung und Reinigung der Orgel geplant, bei der unter anderem eine neue Setzeranlage und (zusätzlich zu den vorhandenen mechanischen Koppeln) elektrische Koppeln hinzugefügt werden. Die Disposition:

I Rückpositiv C–g3
01. Principal 8'
02. Rohrflöte 08'
03. Oktav 04'
04. Koppelflöte 04'
05. Gemshorn 02'
06. Quintlein 11⁄3'
07. Scharf IV 01'
08. Sesquialter II 22⁄3'
09. Bärpfeife 016'
010. Krummhorn 08'
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
11. Principal 16'
12. Oktave 08'
13. Spitzflöte 08'
14. Oktav 04'
15. Hohlflöte 04'
16. Quinte 22⁄3'
17. Superoktav 02'
18. Mixtur VI 11⁄3'
19. Cimbel IV 2⁄3'
20. Cornett V (ab g0) 08'
21. Trompete 016'
22. Trompete 08'
23. Chamade 08'
24. Clairon 04'
Glockenspiel
Zimbelstern
III Schwellwerk C–g3
25. Pommer 16'
26. Principal 08'
27. Bleigedackt 08'
28. Salicional 08'
29. Schwebung 08'
30. Oktav 04'
31. Rohrflöte 04'
32. Nasat 22⁄3'
33. Blockflöte 02'
34. Terz 13⁄5'
35. Plein jeu V 02'
36. Buntcimbel IV 1⁄3'
37. Fagott 016'
38. Trompete 08'
39. Oboe 08'
40. Schalmei 04'
Tremulant
IV Brustwerk C–g3
41. Holzgedackt 08'
42. Quintade 08'
43. Spitzgedackt 04'
44. Spitzgambe 04'
45. Principal 02'
46. Sifflet 01'
47. Cimbel II 1⁄4'
48. Glechter IV 13⁄5'
49. Vox humana 08'
50. Musette 04'
Tremulant
Pedalwerk I C–f1
51. Untersatz 32'
52. Principal 16'
53. Subbaß 16'
54. Oktav 08'
55. Spillpfeife 08'
56. Flötoktav 04'
57. Nachthorn 02'
58. Mixtur VI 22⁄3'
59. Rauschbaß IV 51⁄3'
60. Baßzink IV 51⁄3'
61. Bombarde 016'
62. Sordun 016'
63. Posaune 08'
64. Zink 04'
Pedalwerk II C–f1
65. Holzbass 16'
66. Flötbass 08'
67. Choralbass II 4'+11⁄3'
68. Pommer 02'
69. Dulzian 016'
  • Koppeln im Hauptspieltisch: III/I, I/II, III/II, IV/II, I/P, II/P, III/P.
  • Spielhilfen im Hauptspieltisch: 8 mechanische Setzerkombinationen (Sternsetzer). Schwelltritte für Schwellwerk und Brustwerk. Drucktaster: Zungen ab, Registerfessel, Tutti, Glockenspiel, Dämpfer, Zimbelstern, Spieltisch unten aus.
  • Koppeln im Nebenspieltisch: II/I, I/P, II/P.
  • Spielhilfen im Nebenspieltisch: 6 mechanische Setzerkombinationen (Sternsetzer). Schwelltritte für Schwellwerk und Brustwerk. Drucktaster: Zungen ab, Spieltisch oben aus. Tritte: Handregister ab, Pleno.

Glocken

Die Kirche besitzt ein kostbares sechsstimmiges Geläut, das auf beide Türme verteilt ist. Alle Glocken wurden 1626 vor Ort von den Lothringischen Wanderglockengießern Petrus Bulevilius und Caspar Delson gegossen. Es handelt sich um die Wetterglocke (cis'), die Nacht- und Torglocke (d'), die Predigtglocke (e'), die Mittags- und Horenglocke (g'), die Totenglocke (h') und die Vesperglocke (cis").

Sanierung der Kirche

Nachdem die Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts das letzte Mal renoviert wurde, war nach gut einhundert Jahren eine erneute, vollkommene Sanierung des gesamten Gebäudes notwendig. Aus diesem Grund wurde 2005 mit der Instandsetzung des nördlichen Turmhelms begonnen. 2011, zur 700-Jahr-Feier der Kirche, konnte die Sanierung abgeschlossen werden. Da die Kosten für dieses Vorhaben mehrere Millionen Euro betragen, wurde das Projekt „Jakob steht auf“ ins Leben gerufen. Dieses Projekt versucht, über Spenden und Erlöse, die durch den Verkauf von Souvenirartikeln erzielt werden, Geld zur Finanzierung der Baukosten zu sammeln.

Radwegekirche

Die Jakobskirche ist mit ihrer Lage am Taubertalradweg als Radwegekirche ausgewiesen.

Literatur

  • Anton Ress: Die Kunstdenkmäler von Bayern. Abteilung 5: Regierungsbezirk Mittelfranken. = Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken. Band 8: Stadt Rothenburg o. d. T. Kirchliche Bauten. Oldenbourg, München 1959, S. 72–233.
  • 500 Jahre St. Jakob Rothenburg 1485–1985. Festschrift anlässlich der 500. Wiederkehr der Weihe der St. Jakobskirche zu Rothenburg ob der Tauber im Jahre 1485. Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Jakob, Rothenburg o. d. T. 1985.
  • Karl Borchardt: Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe 9: Darstellungen aus der fränkischen Kunstgeschichte. 37). Degener, Neustadt/Aisch 1988, ISBN 3-7686-4122-8.
  • Iris Kalden-Rosenfeld: Tilman Riemenschneider und seine Werkstatt. Mit einem Katalog der allgemein als Arbeiten Riemenschneiders und seiner Werkstatt akzeptierten Werke (= Die Blauen Bücher). 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Langewiesche, Königstein im Taunus 2006, ISBN 3-7845-3224-1.
  • Klaus Herbers: Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte. Traditionen und Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich. Narr, Tübingen 2005, ISBN 3-8233-6192-9.
  • Rainer Kahsnitz: Die großen Schnitzaltäre. Spätgotik in Süddeutschland, Österreich, Südtirol. Hirmer Verlag, München 2005, ISBN 3-7774-2625-3.
  • Horst F. Rupp, Karl Borchardt (Hg.): Rothenburg ob der Tauber. Geschichte der Stadt und ihres Umlandes. Theiss/Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-8062-2962-2.

Weblinks

Aufgeführt in den folgenden Kategorien:
Einen Kommentar posten
Tipps & Hinweise
Sortiere nach:
Tania M Pollok
12. September 2014
2 € entrance fee, but it includes a tour. The stained glass windows in the East chancel are impressive, it must be a beautiful atmosphere with the sun shining in.
Sarah
21. April 2012
Look for the pretzels in the manna from heaven stained glass window behind the main altar on the right.
Tim Tasche
28. December 2014
Entrance fee for a church?! No go!
Jo Luchty
3. October 2021
Schöne und sehenswerte Kirche.
AF_Blog
29. April 2013
Eine Kirchenführung empfiehlt sich. Man erfährt viel über den #Riemenschneider Altar und viel spannender, viel über die Altagsseite des Hauptaltars mit dem Schweisstuch der Veronica usw..
Lars
20. March 2016
Wunderschöner Altar von Tilman Riemenschneider im erhöhten Westchor. Zugang über die Treppe gegenüber des Eingangs.
Mehr Kommentare laden
foursquare.com
8.3/10
1 633 Leute waren hier
Karte
Klingengasse 2, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Deutschland Route berechnen
Wed 10:00 AM–6:00 PM
Thu 11:00 AM–5:00 PM
Fri 9:00 AM–6:00 PM
Sat 10:00 AM–6:00 PM
Sun 9:00 AM–6:00 PM
Mon 9:00 AM–5:00 PM

St Jakobs Kirche auf Foursquare

Hotels in der Nähe

Alle Hotels Alles sehen
Villa Mittermeier, Hotellerie und Restauration

ab $122

Prinzhotel Rothenburg

ab $100

Hotel Rothenburger Hof

ab $51

Hotel Rappen Rothenburg ob der Tauber

ab $85

Hotel Gasthof zur Linde

ab $75

Pension Hofmann-Schmölzer

ab $107

Empfohlene Sehenswürdigkeiten in der Nähe

Alles sehen Alles sehen
Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Rottenburg-ob-der-Tauber

Rottenburg-ob-der-Tauber ist eine Touristenattraktion, einer der

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Burg Amlishagen

Die Burg Amlishagen liegt neben dem Dorf Amlishagen, ein Stadtteil von

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Schloss Weikersheim

Das Schloss Weikersheim ist der Stammsitz der Herren von Hohenlohe. Es

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Wildpark Bad Mergentheim

Der Wildpark Bad Mergentheim ist ein Wild- und Haustierpark in Bad

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Schloss Mergentheim

Das Schloss Mergentheim (ehemaliges Deutschordensschloss von

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Kochertalbrücke

Die Kochertalbrücke bei Geislingen am Kocher ist mit einer maximalen

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Würzburger Residenz

Die Würzburger Residenz ist ein barocker Residenzbau am Rande der

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Festung Marienberg

Die Festung Marienberg liegt oberhalb von Würzburg in Unterfranken.

Alle Orte in der Nähe

Ähnliche Sehenswürdigkeiten

Alles sehen Alles sehen
Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
St. Lorenz (Nürnberg)

St. Lorenz ist ein gotischer Kirchenbau in Nürnberg. Die Lorenzkirche

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Temppeliaukio-Kirche

Die Temppeliaukio-Kirche (finn. Temppeliaukion kirkko, schw.

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
St. Peter und Paul (Moskau)

Die Kathedrale St. Peter und Paul ist eine lutherische Kirche mit

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Thomaskirche (Leipzig)

Die Thomaskirche in Leipzig ist eine der zwei Hauptkirchen der Stadt

Zur Wunschliste hinzufügen
Ich war hier
Besuchte
Sankt-Annen-Kirche (Sankt Petersburg)

Die St.-Annen-Kirche (russ. Шаблон:Lang) in Sankt Petersburg wurde

Alle ähnlichen Orte sehen