Die katholische Jesuitenkirche St. Michael in München, ist dem Erzengel Michael geweiht und steht stilistisch am Übergang von Renaissance und Barock. Viele Bauideen wurden von „Il Gesù“, der römischen Mutterkirche der Jesuiten übernommen. So wurde die Münchner „Michaelskirche“ vorbildgebend für viele barocke Kirchen im deutschsprachigen Raum. St. Michael war auch das geistliche Zentrum der Gegenreformation in Bayern.
Lage
St. Michael (Neuhauser Str. 6) befindet sich in der
Fußgängerzone, etwa in der Mitte zwischen Marienplatz
und Stachus am Südrand des
Kreuzviertels. Ganz in der Nähe, östlich der Kirche, befand sich
der Graben der leonischen Stadtbefestigung, deren östliches Tor,
der Schöne Turm, zusammen mit dem vorspringenden Flügel des
Kollegs St. Michael, in dem die Höhere Schule untergebracht
war (heute Kaufhaus Hettlage), die Verbreiterung der Neuhauser
Straße zu einem optisch abgeschlossenen Platz aufwertete. Damit hat
St. Michael eine besonders repräsentative Lage an der
Salzstraße.
Geschichte
1556 vereinbarte Herzog Albrecht V. mit den Jesuiten
die Errichtung einer Höheren Schule in München, des heutigen
Wilhelmsgymnasiums. Um den Jesuitenorden und der Höheren Schule
angemessene und moderne Räume zur Verfügung zu stellen, war ein
Neubau notwendig. Allerdings kamen diese Forderungen zu Lebzeiten
Albrechts V. nicht über das Planungsstadium hinaus.
Sein Sohn Herzog Wilhelm V., genannt der Fromme,
initiierte wieder den Bau eines Jesuitenkollegs mit Kollegkirche.
Gleichzeitig wollte Wilhelm V., der die Gegenreformation in
Bayern entscheidend vorantrieb, mit dem Bau gleichzeitig Zeugnis
seiner geistigen Herkunft ablegen, die er bis zu den römischen
Kaisern Konstantin und Justinian zurückführte.
1583 war bereits Grundsteinlegung. Für die Bauausführung
war Wolfgang Miller verantwortlich, wobei für den ersten
Bauabschnitt auch Friedrich Sustris und Wendel Dietrich urkundlich
erwähnt sind. Der Architekt ist unbekannt. Das monumentale
Tonnengewölbe, das bis heute zweitgrößte freitragende Tonnengewölbe
der Welt wurde 1587/88 eingezogen. Das Tonnengewölbe hielt trotz
pessimistischer Stimmen zur damaligen Zeit bis 1944 stand.
1590 stürzte der Turm ein und zerstörte den Chor; das
Tonnengewölbe hielt dagegen stand. Die Bauarbeiten wurden zuerst
eingestellt. Erst 1593 wurden die Arbeiten an St. Michael
wahrscheinlich unter der Leitung und mit Plänen von Friedrich
Sustris wieder aufgenommen. Am 6. Juli 1597 wurde die Kirche
eingeweiht. Wilhelm V. geriet durch seinen Baueifer
(schließlich hat St. Michael in seinen Ausmaßen die
Mutterkirche der Jesuiten, Il Gesù in
Rom, deutlich
übertroffen), an den Rand des Staatsbankrotts. Dennoch wurde
St. Michael direktes Vorbild für über 100
Nachfolgebauten.
Die Jesuiten betreuten Kirche und Kolleg St. Michael bis
zum Verbot 1773. Im gleichen Jahr wurde St. Michael Hofkirche.
Während der Säkularisation kamen das Kolleg und die Kirche
St. Michael in königlichen Besitz. Sie sind bis heute Eigentum
des Freistaates Bayern.
Erst 1921 kehrten die Jesuiten nach St. Michael zurück.
Während des Zweiten Weltkrieges, vor allem im November 1944 wurde
St. Michael schwer beschädigt; das Tonnengewölbe stürzte ein.
In den Jahren 1946 bis 1948 erfolgte der Wiederaufbau. Dabei wurde
das Tonnengewölbe erneut gemauert. 1971/72 erfolgte die
Fassadenrenovierung. 1981 wurden die Stuckdekorationen des
Tonnengewölbes wieder angebracht, die Figur des Christus
Salvator, die 1944 zerstört wurde, als Rekonstruktion wieder im
Giebel aufgestellt.
Zerstörte
Glocken
Herzog Ferdinand stiftete das im Jahre 1585 von Hans Frey
aus Kempten gegossene, vierstimige Geläut. Neben seine Antlitz und
seinem Wappen trugen die Glocken folgende Inschriften:
„
In conspectu angelorum psallam tibi, adorabo ad templum sanctum
tuum.
In Gottes Haus gib ich ein lieblich Getön, Hans Frey von Kempten
Goß mich allhie so schön.
Dum sacrum mysterium cerneret Johannes, Archangelus Michaelis tuba
cecinit.“
„
Ave Regina Cœlorum, domina angelorum, salve Radix Sancta.
Salve Regina, Mater Misericordiæ, vita dulcedo et spes nostra
salve.
Zu Gottes Lob hat mich hie gossen, Hans Frey von Kempten
Unverdrossen.“
„
In omnem terram exivit sonus eorum et in finis orbis terræ
verba eorum.
Petrus Apostolus et Paulus doctor gentum docuerunt legem tuam.
Auf meinen Klang kommt all herbei, und preiset Gott mit Meister
Hansen Frey.“
„
Hoc signum crucis erit in cœlo.
Dicite in nationibus: Regnavit a ligno Deus.
Hans Frey nahm mich schlecht Metall, und macht aus mir englischen
Schall.“
Diese vier Glocken wurden 1944 zerstört, jedoch konnten
Bruchstücke beim Guss der zweitgrößten Glocke der Theatinerkirche
verwendet werden.
Programm der
Kirche
Außenfassade
(Ostfassade)]] Die Außenfassade der Michaelskirche wurde
höfisch wie sakral konzipiert. Die Fassade lässt sich in Gliederung
und Einordnung in das Straßenbild eher mit der Fassade eines
mittelalterlichen Rathauses vergleichen. Dennoch trägt es deutliche
theologische Züge. Im Giebel thront Christus als Salvator (Retter),
direkt unter ihm in der Nische des Erdgeschosses der Erzengel
Michael, der im Kampf um den wahren Glauben alles Böse dieser Welt
mit der Lanze tötet. Zwischen beiden sind verschiedene Herrscher
dargestellt, die sich nach Meinung Wilhelms V. als Kämpfer und
Verteidiger des christlichen Glaubens in Bayern verdient gemacht
haben.
Innenraum
Der Innenraum ist eine Darstellung des Triumphs des
Katholizismus als wahres Christentum während der Gegenreformation.
Der stark eingezogene Chorbogen wie auch die kurzen Querarme und
sogar die Seitenkapellen sind als Triumphbogen nach antiken Vorbild
ausgebildet. Das mächtige Langhaus mit dem sehr tiefen Chorraum,
der einen 5/10-Apsidenabschluss besitzt, führt Menschen aller
Stände und Klassen als das eine Gottesvolk zusammen. Das Langhaus
stellt den Lebensweg Jesu dar: Als Kind ist Christus an der
Innenwand der Fassade zu sehen. Engel im Gewände, welche die
Werkzeuge seines Leidens tragen, begleiten seinen Weg. Dessen Ziel
war das Kreuz, das an den Stufen zum Chor stand (jetzt im
Querschiff). Der Chor über der Gruft ist der Raum der Auferstehung,
der zum Hochaltar führt. Dort zentraler Blickpunkt der ganzen
Kirche, zeigt sich Jesus als der Herrn, der am Ende der Zeit
wiederkommt. Die Heiligen, die in den Seitenaltäre dargestellt
sind, bezeugen den Glauben, dass durch Christus letztendlich die
Wahrheit stärker ist als die Lüge, Gerechtigkeit stärker als
Profit, Freiheit stärker als Gewalt.
Fürstengruft
St. Michael war von Anfang an als Grablege des Hauses
Wittelsbach konzipiert. So wurde auch Wilhelm V., der seine
Privatgemächer im Kolleg St. Michael hatte, auf eigenen Wunsch
in der Gruft bestattet, ebenso sein Sohn Kurfürst
Maximilian I.. Der bekannteste Herrscher, der in
St. Michael ruht, ist König Ludwig II., für dessen
Zinksarg sogar der Erbauer vom prädestinierten Platz in der Gruft
weichen musste. Auch sein Bruder, König Otto, wurde hier
beigesetzt. Die Fürstengruft, in der zur Zeit 40 Wittelsbacher
bestattet sind, wird heute durch den Wittelsbacher Ausgleichsfond
betreut. Die meisten bayerischen Wittelsbacher der neueren
Geschichte haben allerdings ihre letzte Ruhestätte in der Gruft der
Theatinerkirche
(München) gefunden.
Im einzelnen liegen in der Fürstengruft von St. Michael
begraben:
- Renata von Lothringen, Herzogin von Bayern (20. April 1544 –
22. Mai 1602) – (22. Februar 1568 Gemahlin von Herzog Wilhelm
V.)
-
Wilhelm V., Herzog von Bayern (29. September 1548 – 7.
Februar 1626)
- Herzog Ferdinand Wilhelm (25. August 1620 – 23. Oktober
1629)
- Herzog Johann Friedrich (12. Januar 1604 – 30. November
1632)
- Elisabeth Renata von Lothringen, Kurfürstin von Bayern (9.
Oktober 1574 – 4. Januar 1635) – (erste Gemahlin von Kurfürst
Maximilian I.)
-
Maximilian I., Kurfürst von Bayern (17. April 1573 – 27.
September 1651)
- Maria Anna von Österreich, Kurfürstin von Bayern (13. Januar
1610 – 25. September 1665) – (zweite Gemahlin von Kurfürst
Maximilian I.)
- Herzog Maximilian Philipp Hieronymus (30. September 1638 – 20.
März 1705)
- Prinzessin Mauritia Febronia (12. April 1652 – 20. Juni
1706)
- Herzog Karl Philipp August von Pfalz-Neuburg-Sulzbach (17. März
1718 – 31. März 1724)
- Herzog Karl Philipp August von Pfalz-Neuburg-Sulzbach (24.
November 1725 – 6. Mai 1727)
- Elisabeth Auguste Sofie von der Pfalz (17. März 1693 – 30.
Januar 1728)
- Joseph Karl von Pfalz-Sulzbach (2. November 1694 – 18. Juli
1729)
- Prinzessin Theresia Emanuela (22. Juli 1723 – 27. März
1743)
- Prinzessin Theresia Benedicta (6. Dezember 1725 – 29. März
1743) – (Tochter von (Kaiser Karl VII.)
- Herzog Klemens August (18. September 1749 – 19. Juni 1750)
- Pfalzgraf Friedrich Michael von Zweibrücken-Birkenfeld (27.
Februar 1724 – 15. August 1767)
- Elisabeth Maria Auguste, Kurfürstin von der Pfalz und von
Bayern (17. Januar 1721 – 17. August 1794) – (Gemahlin von Kurfürst
Karl Theodor)
- Herzog Karl August von Zweibrücken (29. Oktober 1746 – 1. April
1795)
- Prinzessin Carolina Clotilde (16. Januar 1816 – 25. Januar
1816) – (Tochter von Prinzessin Auguste)
- Eugène de Beauharnais (3. September 1781 – 21. Februar 1824) –
(Gemahl von Prinzessin Auguste und Stiefsohn von Kaiser Napoleon
I.)
- Prinzessin Auguste (21. Juni 1788 – 13. Mai 1851) – (Tochter
von König Max I. Joseph)
- Prinz Adalbert Wilhelm (19. Juli 1828 – 21. September 1875) –
(Sohn von König Ludwig I.)
-
Ludwig II., König von Bayern (25. August 1845 – 13. Juni
1886)
- Prinzessin Amalia Pilar von Spanien (12. Oktober 1834 – 27.
August 1905) – (Gemahlin von Prinz Adalbert Wilhelm)
-
Otto I., König von Bayern (27. April 1848 – 11. Oktober
1916)
- Prinz Leopold (9. Februar 1846 – 28. September 1930) – (Sohn
von Prinzregent Luitpold)
- Gisela von Österreich (12. Juli 1856 – 27. Juli 1932) –
(Gemahlin von Prinz Leopold und Tochter von Kaiser Franz Joseph
I.)
- Prinz Alfons (24. Januar 1862 – 8. Januar 1933) – (Sohn von
Prinz Adalbert Wilhelm)
- Prinzessin Clara (11. Oktober 1874 – 29. Mai 1941) – (Tochter
von Prinz Adalbert Wilhelm)
- Prinzessin Maria de la Paz von Spanien (23. Juni 1862 – 4.
Dezember 1946) – (Gemahlin von Prinz Ludwig Ferdinand)
- Prinz Ludwig Ferdinand (22. Oktober 1859 – 23. November 1949) –
(Sohn von Prinz Adalbert Wilhelm)
- Prinzessin Louise Viktoria Sophie (19. Juli 1869 – 4. Februar
1952)
- Prinzessin Maria (3. Januar 1954 – 3. Januar 1954) (Tochter von
König Ludwig III.)
- Prinzessin Philippa (26. Juni 1954 – 26. Juni 1954)
- Prinz Konrad (22. Januar 1883 – 6. September 1969) – (Sohn von
Prinz Leopold)
- Prinz Franz (10. Oktober 1875 – 25. Januar 1957) – (Sohn von
König Ludwig III.)
- Prinz Konstantin (15. August 1920 – 31. Juli 1969) – (Sohn von
Prinz Adalbert)
- Prinz Adalbert (3. Juni 1886 – 29. Dezember 1970) – (Sohn von
Prinz Ludwig Ferdinand)
- Prinzessin Bona (1. August 1896 – 2. Februar 1971) - (Gemahlin
von Prinz Konrad)
Außerdem bergen die Columbarien der Fürstengruft mehrere
Herzurnen, u. a. von Maximilian de Beauharnais, † 1852 in St.
Petersburg.
Siehe auch: Grabstätten europäischer Monarchen
-Denkmal]]
Bedeutende
Kunstwerke
-
Hochaltar (Wendel Dietrich nach einem Entwurf von
Friedrich Sustris, 1586–1589);
-
Hochaltarbild "St. Michael im Kampf mit dem
Teufel" (Christoph Schwartz, 1587);
-
Gemälde "St. Franziskus-Xaver" (Ulrich Loth,
1624);
-
Gemälde "St. Ignatius von Loyola" (Peter Candid
und Werkstatt, 1622-1624);
-
Dreieinigkeitsgemälde (Antonio Viviani);
-
Kreuzmonument (Giovanni da Bologna, 1594/95,
ursprünglich für das geplante Grabmal Wilhelms V. vorgesehen);
-
Magdalena-Skulptur (Hans Reichle, 1594/95);
-
Altargemälde "Martyrium der Hl. Ursula" (Peter
Candid);
-
Schrein der Heiligen Cosmas und Damian (um 1400 für die
Stadt Bremen, seit 1649 in
München);
-
Altarbild "Mariae Verkündigung" (Peter Candid,
1587);
-
Gemälde "Petrus erhält die Schlüsselgewalt" und
"Bekehrung des Hl. Paulus" (Antonio M. Viviani (?));
-
Leuchtenbergdenkmal. Marmorgrabmal für den 1824
verstorbenen Herzog von Leuchtenberg, Eugène de Beauharnais (Bertel
Thorvaldsen nach einem Entwurf von Leo von Klenze), 1830);
-
Weihwasserengel (Hubert Gerhard, 1595, ursprünglich für
das geplante Grabmal Wilhelms V. vorgesehen);
Maße des
Bauwerkes
- Länge: 78,20 m
- Breite: 20,29 m
- Höhe: 28,16 m
- Breite des Chors: 18,00 m
Sonstiges
- Pater Rupert Mayer SJ wirkte als Prediger an St. Michael.
Seine Arbeit war geprägt von Anklage und Offenlegung der
NS-Machenschaften.
- Bis heute ist St. Michael keine Pfarrkirche, sondern
Institutskirche der Jesuiten. Markenzeichen sind Predigt, Beichte
und Kirchenmusik, die vor allem kirchenferne Menschen ansprechen
will.
- St. Michael ist mit einer großen, viermanualigen Orgel aus
dem Jahre 1984 ausgestattet.
Kuriosa
- Vom Kolleg St. Michael wurde behauptet, es sei nach
El Escorial das Gebäude mit den meisten Fenstern.
- Als der damalige Turm der noch nicht ganz fertigen Kirche
einstürzte und den Chorraum zerstörte, hielten dies die
Finanzbeamten des Herzogs für ein Zeichen des Himmels. Die klammen
Staatsfinanzen im Blick äußerten sie Wilhelm V. gegenüber ihre
Ansicht und schlugen vor, auf einen Chorraum ganz zu verzichten.
Dieser erwiderte ihnen, auch er halte das für einen Wink des
Himmels, nur sei er zu dem Schluss gekommen, dass der erste
Chorraum für einen so bedeutenden Engel wie den Erzengel Michael
viel zu klein war. So entstand also ein überproportional langer
Chorraum, wie man ihn heute noch betrachten kann.
Literatur
-
Johannes Terhalle: … ha della Grandezza
de padri Gesuiti. Die Architektur der Jesuiten um 1600 und St.
Michael in München. In: Reinhold Baumstark (Hrsg.): Rom in
Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten Jesuiten. Katalog zur
Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums München, 30. April
bis 20. Juli 1997. Hirmer, München 1997, ISBN
3-7774-7600-5, S. 83-146.
-
Klaus Gallas: München. Von der welfischen
Gründung Heinrichs des Löwen bis zur Gegenwart: Kunst, Kultur,
Geschichte. DuMont, Köln 1979, ISBN 3-7701-1094-3
(DuMont-Dokumente: DuMont-Kunst-Reiseführer).
Siehe
auch
- Michaeliskirchen
- Liste der Kirchen in München
- Schlösser in München
Weblinks