Selinunt

Selinunt (Σελινοΰς, ital. Selinunte) ist eine archäologische Fundstätte in der süditalienischen Provinz Trapani auf Sizilien. Die Fundstätte befindet sich auf dem Gebiet der Gemeinde Castelvetrano an der Südküste Siziliens unmittelbar am Mittelmeer.

Die ausgedehnte Fundstätte besteht vornehmlich aus den Überresten der alten griechischen Stadt Selinus, die in der Antike zu den wichtigsten Poleis Siziliens zählte. Davon zeugen u. a. die zahlreichen Tempel, die zu den bedeutendsten griechischen Tempeln Siziliens zählen. Historisch bedeutsam, wenngleich weniger imposant sind auch die Ruinen aus der karthagischen Siedlungsphase des Ortes. In den vergangenen Jahrzehnten wurden große Teile der antiken Stadt freigelegt; eines der sämtlich durch Erdbeben zerstörten Heiligtümer wurde dabei teilweise wiederaufgebaut (Tempel E); die Rekonstruktion entspricht allerdings nicht dem aktuellen Forschungsstand.

Geschichte

Die Polis Selinunt wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. von dorischen Griechen aus dem ostsizilischen Megara Hyblaea gegründet und existierte rund 400 Jahre. Die Stadt war die westlichste griechische Pflanzstadt (Apoikie) an der Südküste der Insel. Sie war berühmt für ihre fruchtbaren Böden, auf denen ein besonders guter Weizen wuchs, und erlangte rasch großen Reichtum, der sich insbesondere in den zahlreichen großen Tempelbauten manifestierte. Im 6. Jahrhundert bestand in Selinunt laut Polyainos (1,28,2) eine Tyrannis unter einem gewissen Theron.

Die Stadt war längere Zeit ein karthagischer Verbündeter, in erster Linie, um sich Unterstützung gegen Segesta zu sichern. Selinunt war die einzige griechische Stadt, die 480 v. Chr. in der Schlacht bei Himera auf Seiten Karthagos kämpfte. Danach scheint das Bündnis aber gelöst worden zu sein. Das 5. Jahrhundert war die Zeit der größten Blüte des Ortes. Die ewigen Konflikte zwischen dem griechischen Selinunt und der einheimischen Siedlung Segesta eskalierten aber in der Folgezeit und führten schließlich zu einem Eingreifen der Großmächte Athen und Sparta, wobei letzteres Syrakus und Selinunt gegen Athen unterstützte. Nachdem sich Selinunt nach dem Scheitern der Sizilienexpedition Athens 413 v. Chr. die Verwüstung Segestas "geleistet" hatte, wurde die Stadt nach Berichten des Diodorus Siculus von Karthago 409 v. Chr. nach einem Krieg mit 16.000 Toten und 5000 Gefangenen zerstört. Von den Karthagern (Puniern) wurde der Ort wieder aufgebaut. Er geriet im 4. Jahrhundert v. Chr. endgültig unter karthagische Kontrolle und wurde fortan fast ausschließlich von Karthagern bewohnt, bis Selinunt im Ersten Punischen Krieg 250 v. Chr. geräumt und anschließend von den Römern zerstört wurde. Damit endet die Geschichte Selinunts im Wesentlichen. Es gab aber offenbar eine gewisse Siedlungskontinuität auf niedrigem Niveau, und in der Spätantike bestand ein kleiner christlicher Ort auf der einstigen Akropolis.

Heute vermuten Vulkanologen, Archäologen und Historiker, dass die Tempel der Stadt ebenso wie andere antike Städte an der sizilianischen Südwestküste auf Grund eines unterseeischen Erdbebens in der Straße von Sizilien und einer dadurch ausgelösten gewaltigen Flutwelle zerstört wurden. Die Datierung ist allerdings unklar.

Archäologie und Stadtplanung

Die Stadt wurde von den Griechen regelmäßig angelegt. Davon zeugen die genormten Straßenbreiten von 9 m, 6,5 m und 3,5 m. Jeder Häuserblock war genau 100 Fuß breit. Die Rinnsteine waren im rechten Winkel verlegt, und in einem der Häuser wurde die bislang erste Wendeltreppe der Geschichte gefunden.

Sämtliche Gebäude und Tempel Selinunts sind bereits vor Jahrhunderten aufgrund von Erdbeben eingestürzt. Einer von ihnen wurde 1956 wieder aufgebaut, die Rekonstruktion ist allerdings sehr umstritten. Seit Jahren führt das DAI umfangreiche Ausgrabungen auf dem Gelände der antiken Stadt durch.

Die Tempel Selinunts zeichnen sich durch einen gestreckten Grundriss, einen geschlossenen hinteren Cellaraum (Adyton), die Betonung der Front durch Verdoppelung der Säulenreihen, Weiterung der Abstände und eine vorgelegte Freitreppe aus und zeigen eine Tendenz zu räumlicher Weite. Dieses fällt aber nicht unter den Begriff Hypäthraltempel.

Richard Sennet schreibt in seinem Buch Handwerk: „Nach den älteren Anlageplänen verbanden Straßen einzelne Gebäude miteinander, doch das 624 v. Chr. von den Griechen gegründete Selinus war die reinste Kreuzung aus Kette und Schuss. Die Straßenkreuzung selbst wurde als wichtiges Designelement betont. Das Bild eines 'urbanen Gewebes' war hier nicht beiläufige Metapher, sondern ganz unmittelbare Beschreibung. Anderseits besaß Selinus die Festigkeit und Kompaktheit eines Schiffes.“

Akropolis

Die Akropolis weist vier Tempel auf, dazu gut erhaltene Terrassierungen und Befestigungen aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Einer der Tempel ist der Tempel C (6 mal 17 Säulen) aus der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., der teilweise restauriert wurde, ein weiterer ist der jüngere Tempel B. Hier finden sich auch die Überreste zahlreicher typisch punischer Wohnhäuser, die meist auf Fundamenten griechischer Bebauung errichtet wurden. Die Karthager scheinen auch die griechischen Heiligtümer weiterbenutzt zu haben, nun allerdings für ihren eigenen Kult. So finden sich etwa eindeutige Hinweise auf eine Verehrung von Tanit.

Osthügel und Demeterheiligtum

Auf dem Osthügel im Osten der Akropolis, der damals der am dichtesten besiedelte Teil der Stadt war, befinden sich Reste von 12 Tempeln aus dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr.; dazu zählt der vermutlich der Göttin Hera geweihte Tempel E (um 460-450 v. Chr.), der auf zwei Vorläuferbauten steht und als dorischer Peripteros (6 mal 15 Säulen) restauriert wurde, sowie der um 520 v. Chr. begonnene und unvollendete Tempel G, der mit einer Grundfläche von 50 mal 110 Meter einer der größten griechischen Tempel ist. Im Schutt dieser Tempel fand man einen 70 t schweren Giebel.

Westlich der Akropolis befinden sich das Heiligtum der Demeter Malophoros aus dem 7. bis 5. Jahrhundert v. Chr. und eine daneben liegende Nekropole.

Die meisten Fundstücke aus Selinunt sind derzeit im Archäologischen Regionalmuseum von Palermo untergebracht. Darunter befinden sich:

  • Skulptierte Metopen aus Tempel G (um 465-450 v. Chr.) und Tempel C
  • Bronzeplastik, der „Ephebe von Selinunt“ aus der Zeit um 480 bis 460 v. Chr.
  • Vasen und Terrakotten aus dem Heiligtum der Demeter Malophoros und der Nekropole

Rocche di Cusa

In der Nähe Selinunts befindet sich der antike Steinbruch Rocche di Cusa, aus dem das gesamte für den Bau der Tempel verwendete Material stammt. Hier ist zu sehen, wie Säulentrommeln, die für den unvollendeten Tempel G vorgesehen waren, aus den Felsen herausgearbeitet wurden.

Literatur

  • Luca Giuliani: Die archaischen Metopen von Selinunt. Zabern, Mainz 1979. ISBN 3-8053-0287-8
  • Anneliese Peschlow-Bindokat: Die Steinbrüche von Selinunt. Die Cave di Cusa und die Cave di Barone. Zabern, Mainz 1990. ISBN 3-8053-1084-6
  • Dieter Mertens: Selinus I. Die Stadt und ihre Mauern. Zabern, Mainz 2003. ISBN 3-8053-3248-3
  • Gabriel Zuchtriegel: Zur Bevölkerungszahl Selinunts im 5. Jh. v. Chr. In: Historia 60, 2011, S. 115-121.

Weblinks

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Massimo Iovino
9. August 2012
Il panorama da qui è incantevole con vista mare e sul tempio di Hera! Chissà come doveva essere 3000 anni fa quando l'acropoli era nel suo massimo splendore...
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