Sedletz-Ossarium

Das Sedletz-Ossarium (tschechisch: Kostnice Sedlec) ist ein Beinhaus in Sedletz (tschechisch: Sedlec), einem Ortsteil von Kutná Hora, etwa 70 km östlich von Prag. Es befindet sich im Untergeschoss der Allerheiligenkirche (tschechisch: Hřbitovní kostel Všech svatých) auf dem Sedletzer Friedhof. Berühmtheit erlangten Kirche und Beinhaus durch die Aufbewahrung von rund 40.000 menschlichen Skeletten, wovon die Knochen von etwa 10.000 Menschen künstlerisch verarbeitet wurden, um Dekorationen und Einrichtungsgegenstände für das Kirchengebäude zu formen.

Hintergrund

Der Klosterfriedhof

Der Legende nach wurde Heinrich, ein Abt des Zisterzienser-Klosters-Sedletz, um 1278 von König Ottokar II. Přemysl von Böhmen mit einer Botschaft nach Jerusalem entsandt. Auf seiner Rückreise brachte der Abt eine Handvoll Erde vom Kalvarienberg mit und verteilte diese über den Klosterfriedhof, der dadurch zu heiligem Boden erklärt wurde.

Daraufhin entwickelte sich der Friedhof zu einem begehrten Bestattungsort in Mitteleuropa, auf dem nicht nur Menschen aus der Umgebung von Sedletz und Böhmen sondern auch aus Polen, Bayern und den Niederlanden bestattet wurden. Aufgrund der Pestepidemien in der Mitte des 14. Jahrhunderts (hierdurch zählte der Friedhof bereits etwa 30.000 Tote) und der Hussitenkriege im 15. Jahrhundert, die mehrere tausend Opfer forderten, musste der Friedhof ständig erweitert werden. Das Gelände erfuhr seine größte Ausdehnung mit zirka 3,5 ha. Viele der Toten wurden in Massengräbern verscharrt.

Errichtung des Kirchengebäudes

Im frühen 15. Jahrhundert wurde im Zentrum des Friedhofs ein zweigeschossiges Kirchengebäude im gotischen Stil errichtet. Im Verlauf der Bauarbeiten wurden die Überreste der Toten exhumiert und im Untergeschoss des Kirchengebäudes eingelagert, das seither als Beinhaus genutzt wurde. Da der Friedhof verkleinert werden sollte, wurde die Exhumierung der Toten auch nach dem Bau der Kirche fortgesetzt. Dieser Auftrag soll laut Überlieferung ab etwa 1511 von einem halbblinden Zisterziensermönch ausgeführt worden sein, der die Gebeine systematisch im Ossarium niederlegte. Insgesamt wurden die Überreste von rund 40.000 Menschen zusammengetragen.

Zwischen 1703 und 1710 baute Johann Blasius Santini-Aichl den Eingangsbereich und einen Teil des Obergeschosses der Kirche im böhmischen Spätbarockstil um. Nach den Josephinischen Reformen wurde die Fürstenfamilie Schwarzenberg auf das Kirchengebäude aufmerksam und kaufte es im 19. Jahrhundert auf. 1870 beauftragte sie den Holzschnitzer František Rint aus Skalitz mit der Innenausstattung des Ossariums auf eher ungewöhnliche Art und Weise: Nicht Holz diente Rint als Baumaterial, sondern die im Beinhaus eingelagerten Knochen.

Innenausstattung

František Rint schuf das gesamte Inventar mithilfe menschlicher Knochen. Hierfür benötigte er die Gebeine von rund 10.000 Menschen. Unweit der Eingangstür führt eine Treppe in das Untergeschoss des Kirchengebäudes. Auf beiden Seiten des Treppenabgangs stehen zwei fast menschengroße Abendmahlskelche. Rechts, neben einem der Kelche, befindet sich ein aus Knochen und Schädeln geformtes Jesus-Monogramm.

In der Raummitte des Untergeschosses hängt ein achtarmiger Lüster, der nahezu sämtliche Knochensorten des menschlichen Körpers enthält. Unterhalb des Lüsters befinden sich vier Fialen, bestückt mit jeweils 22 Schädeln. Das Gewölbe wurde mit mehreren Girlanden aus Schädeln und Oberarmknochen dekoriert; ähnliche Konstrukte finden sich als Wandschmuck und insbesondere an den Gurtbögen wieder.

Auf der linken Raumseite hängt das ebenfalls komplett aus Knochen gebildete Wappen der Familie Schwarzenberg. Es zeigt unter anderem einen Raben, der – symbolisch und in Anlehnung an die Kämpfe mit den Osmanen im 16. Jahrhundert – einem Schädel (in diesem Fall einem auf dem Schlachtfeld gefallenen Kämpfer) das linke Auge aushackt.

Der Hauptbestand der Gebeine wurde jedoch in den Nebenräumen konisch angehäuft, insgesamt vier gigantische Knochenberge zieren die Seitenschiffe des Souterrains. In den Nischen links und rechts neben dem Hauptaltar stehen zwei Monstranzen. An manchen Schädeln, besonders an denen, die in der Nähe der Nebenaltäre lagern, sind deutliche Spuren der Gefechte während der Hussitenkriege zu erkennen (Dreschflegel, Fausthammer).

Rint selbst hinterließ seinen Namen – aus Knochen geformt – an einer Wand neben dem Treppenaufgang.

Verfilmung

Im Jahre 1970, ein Jahrhundert nach Vollendung von František Rints Werk, erhielt der tschechische Künstler und Filmregisseur Jan Švankmajer den Auftrag, eine Dokumentation über das Ossarium anzufertigen. Das Endresultat umfasst eine 10-minütige Schwarzweiß-Produktion unter dem Titel „Kostnice“ (engl. Filmtitel „The Ossuary“), in hoher Schnittfrequenz, begleitet von getrennt aufgenommenen Erläuterungen einer Fremdenführerin.

Später modifizierte Švankmajer die Dokumentation und ersetzte die Erzählerstimme durch eine kurze, sprachliche Einleitung sowie durch ein Jazz-Instrumental des tschechischen Musikers Zdeněk Liška, das dieser ursprünglich dem Gedicht „Comment dessiner le portrait d'un oiseau“ von Jacques Prévert widmete.

Nach der Jahrtausendwende traf das Ossarium vermehrt auf das Interesse der Filmindustrie. So diente es unter anderem als Kulisse für das Fantasy-Abenteuer Dungeons & Dragons (2000) und war vier Jahre später in der Dokumentarfilmreihe Long Way Round zu sehen.

Weblinks

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Tipps & Hinweise
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Pili Chávez
11. September 2014
Interesting and creepy attraction, you might want to stop by if you're in the area, won't take more than 15 minutes though. And you might wanna do some research before coming since info is limited.
Wahaj Muhammad
24. July 2016
This is a must see for everyone visiting Czechia. It will be an unique experience for certain. I recommend getting the combo ticket and visit the two cathedrals in Kutná Hora while you're there.
Igor Miniailo
30. April 2017
Small but fascinating church. Worse a 2 hours ride from Prague to visit it.Nevertheless of reconstruction started several years ago which will continue for some more years the church is open for visit
Kacka O
31. March 2019
Better to come in the morning, place is small and it can easily get crowded with tours. Get a combo ticket and visit two cathedrals in the city as well, everything for 220czk/adult.
Mikhail M
20. June 2018
Необычное место. Читайте привходе в церковь информационные буклеты, пишут вещи о которых стоит задуматься каждому. Время ограниченно, что мы заберем на тот свет?)
Toxa Agamer
21. February 2016
Приятное и милое заведение:-) Выходя, понимаешь, как мало ты в этом мире значишь и завтра твоя черепушка может пополнить чью-то коллекцию:-)
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