Die Kreisgrabenanlage von Goseck (auch Sonnenobservatorium von Goseck) ist eine jungsteinzeitliche Ringgrabenanlage am nordwestlichen Ortsrand von Goseck (Burgenlandkreis) in Sachsen-Anhalt. Sie wurde 1991 bei einem Erkundungsflug durch den Luftbildarchäologen Otto Braasch zufällig entdeckt. Die vor etwa 7.000 Jahren errichtete Anlage wird als das bisher älteste entdeckte Sonnenobservatorium der Welt bezeichnet.
Nach der ersten Entdeckung wurden erst ab 1999 wieder Luftaufnahmen des Areals gemacht und geomagnetische Untersuchungen vorgenommen, die zusammengenommen ein genaues Bild des Grundrisses ergaben.
Unter der Leitung von François Bertemes wurde von Archäologen des Instituts für prähistorische Archäologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg seitdem ein kleiner Teil des Außenrings, der aus einem Graben, einem Wall und zwei Palisaden bestand, sowie das Südosttor ausgegraben.
Bei der ersten Grabung 2002 auf einem west-östlichen Areal von 10 m x 50 m wurden neben den Spuren der Ringanlage mit Scherben aus der Zeit der Stichbandkeramik auch die eines Langhauses mit lehmverputzten Flechtwerkwänden und ein Kindergrab mit zwei Gefäßen aus der Zeit der vorangegangenen Linearbandkeramik gefunden.
2003 wurde ein Großteil der ersten Ausgrabungsfläche erneut und eine südlich davon gelegene Fläche von 30 m x 40 m erstmals untersucht und das gesamte Südosttor freigelegt. Dabei wurde festgestellt, dass das innere Palisadentor schmaler als das äußere war und dieses wieder schmaler als der Zugangsweg über den Graben.
Bei weiteren Ausgrabungen wurden zahlreiche Rinderknochen, besonders Schädel, und in drei Erdgruben Menschenknochen gefunden. Sie waren sorgfältig bearbeitet worden, das Fleisch von den Knochen abgeschabt. Das könnte für Menschenopfer sprechen - oder für spezielle Begräbnisrituale.
Von Juni bis Oktober 2005 wurde die Anlage auf dem mittlerweile vollständig freigelegten Areal rekonstruiert. Die Eröffnung fand am 21. Dezember 2005 statt, dem Tag der Wintersonnenwende.
Die Kreisgrabenanlage liegt auf einem Plateau oberhalb des Saaletals und besteht aus einem deutlich erkennbaren, annähernd kreisrunden Ringgraben von etwa 71 m Durchmesser. Es konnte ein flacher Erdwall rund um den Graben nachgewiesen werden. Die Anlage hat drei grabengesäumte Zugangswege, die nach Norden, Südwesten und Südosten ausgerichtet sind. Im Inneren befinden sich Spuren zweier konzentrischer Palisaden (ca. 56 und 49 m Durchmesser) mit gleich ausgerichteten, zum Zentrum hin schmaler werdenden Toren. Es konnte auf der Innenfläche keine weitere Bebauung festgestellt werden.
Nach Untersuchungen des Astroarchäologen Wolfhard Schlosser vom Astronomischen Institut der Ruhr-Universität Bochum, der früher schon die Himmelsscheibe von Nebra interpretiert hatte, sind die beiden südlichen Tore und Zugangswege vom Mittelpunkt der Anlage aus gesehen mit einer Genauigkeit von drei bis vier Tagen auf den Sonnenaufgang und -untergang zur Wintersonnenwende um 4800 v. Chr. ausgerichtet, das nördliche Tor weist annähernd genau auf den astronomischen Meridian, also nach Norden. Dass es sich um ein Observatorium zur Bestimmung der Wintersonnenwende handelt, gilt daher als wahrscheinlich.
2004 wurde eine weitere Visiereinrichtung im Palisadenzaun gefunden, die auch die Bestimmung der Sommersonnenwende erlaubte. Die Auswertungen Wolfhard Schlossers wurden dabei durch ein satellitengestütztes Messsystem auf GPS-Basis unterstützt. Im Unterschied zu anderen, schlechter erhaltenen mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen sind die Visierlinien in Goseck außerordentlich präzise und ermöglichen die Berechnung und Beobachtung der Sonnenwenden über mehrere Tage in allen vier Punkten.
Aufgrund der Keramikfunde (C-14-Daten sind noch in Bearbeitung) wird der Bau der Anlage auf etwa 5000 v. Chr. geschätzt.
Rund einen Kilometer von dieser Anlage entfernt ist eine neue neolithische Siedlung entdeckt worden. Eine Erkundungsgruppe der Universität Halle ist in der Ortschaft Goseck beim Ausheben eines etwa 50 Meter langen und einen Meter tiefen Suchgrabens auf die Überreste eines 7.000 Jahre alten Dorfes der Linearbandkeramik gestoßen.
Dokumentation und Auswertung der Grabungen stehen seit 2002 in einem gemeinschaftlichen Projekt zur Erforschung der Mikroregion um Goseck, das von den halleschen Instituten in Zusammenarbeit mit der University of California in Berkeley durchgeführt wird.
In Mitteldeutschland weisen mehrere Kreisgrabenanlagen des Mittelneolithikums Bezüge zu den Sonnenauf- und Sonnenuntergängen zur Sommer- (Schalkenburg bei Quenstedt, Quedlinburg: Nordwesttor) oder Wintersonnenwende (Goseck: Südosttor) auf. Bezüge der mittelneolithischen Rondelle zu Sonnenwendpunkten wurden seit den 1980-er Jahren bereits an einigen anderen Anlagen der Stichbandkeramik bzw. der ostmitteleuropäischen Lengyelkultur festgestellt (z.B. Těšetice-Kyjovice in Mähren, Künzing-Unternberg in Bayern oder Svodín, Slowakei).
Das Phänomen Kreisgrabenanlage kam in den mitteldeutschen Raum elbabwärts aus dem Gebiet der westlichen Lengyelkultur. Alle bisher datierten Kreisgrabenanlagen wurden in einer recht kurzen Zeitspanne in der frühen Stufe der Lengyelkultur bzw. „Kultur mit Mährisch Bemalter Keramik“ (IA) und am Beginn der Stufe IV (=Stufe II nach D. Kaufmann) der Stichbandkeramik errichtet. Eine Stilisierung Gosecks in der Presse als „Ältestes Observatorium der Welt“ ist daher unsachlich. Als hölzernes Henge-Monument ist die Anlage von Goseck jedoch rund 2.000 Jahre älter als Stonehenge, was eine medienwirksame Darstellung solcher in der Erde verborgenen Monumente wiederum rechtfertigt.
Zu der etwa 3000 Jahre jüngeren Himmelsscheibe von Nebra und Aspekten der Archäoastronomie in der Bronzezeit gibt es keinerlei archäologische Verbindung.