Hatra

Hatra (arabisch ‏الحضرal-Ḥaḍr) war die Hauptstadt eines mesopotamischen Kleinfürstentums im Machtbereich des Partherreichs, ist aufgrund seiner Denkmälerfülle einer der aussagekräftigsten Fundorte der Partherzeit und gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die Ruinen der Stadt liegen im heutigen Irak.

Geschichte

Am Rande der Steppe im weiteren Grenzbereich zwischen den Großmächten der damaligen Zeit, dem Partherreich der Arsakiden und dem Römischen Reich, bildete sich im 1. Jahrhundert nach Christus ein von nomadischen Stämmen getragenes städtisches Zentrum heraus: Hadr (d Šmš) ("Umwallung" oder "Niederlassung des Schamasch [des Sonnengottes]"). Die Stadt war eng mit dem Arsakidenreich verbunden. Im Verlauf des 2. Jahrhunderts wurde sie zu einer umwallten, über 300 Hektar umfassenden, in der Grundform einem Kreis angenäherten Anlage mit zentralem Temenosbereich (Tempelbezirk) ausgebaut. Bedeutung und Stärke Hatras werden u. a. deutlich in den mehrfachen, vergeblichen Versuchen römischer Kaiser (u. a. Trajan 117 und Septimius Severus 197 und 199), die Stadt zu erobern. In den sechziger Jahren des 2. Jahrhunderts nahm der Herrscher Hatras den Titel König der Araber an. Dessen Bedeutung ist in der Forschung umstritten. Höchtwahrscheinlich wurde der Titel vom arsakidischen Partherkönig verliehen, zu dessen Reich Hatra gehörte (vgl. Hauser 1998).

224/26 stürzten die Sassaniden die Arsakidendynastie. Hatra blieb wie Armenien der alten Dynastie treu und suchte nun offenbar die Unterstützung des Imperium Romanum: Drei Inschriften römischer Soldaten aus den Jahren 235 und 238 belegen die zumindest zeitweilige Präsenz kaiserlicher Truppen in der Stadt. Doch letztlich konnten die Römer, deren Reich seit 235 zunehmend durch andere Probleme gebunden war (siehe auch Reichskrise des 3. Jahrhunderts), den Fall Hatras nicht verhindern. Nach mindestens zweijähriger Belagerung nahm der Sassanidenkönig Ardaschir I. (oder bereits sein Sohn Schapur I.?) die Stadt 240 oder 241 ein. Einer späteren Legende nach verdankten die Sassaniden ihren Sieg dem Verrat der Tochter des Königs von Hatra, die sich in Schapur I. verliebt haben soll und ihm einen Weg in die Stadt eröffnete. Wie neueste Untersuchungen zu den umfangreichen Belagerungsanlagen (vgl. Tucker/Hauser 2006) zeigen, zu denen auch die zweite Rundmauer um Hatra gehört haben dürfte, war der Fall Hatras aber wohl schlicht das Ergebnis der sehr systematischen Belagerung durch die Sassaniden, gepaart mit der Unfähigkeit der Römer und der nomadischen Verbündeten der Stadt, sie erfolgreich zu entsetzen.

Die Herrscher von Hatra

mrj´ (Marja, "Herrscher")

  • Worod, etwa 110 n. Chr.
  • Ma’nu, ca. 115-116/117 n. Chr.
  • Elkud, ca. 120 n. Chr.
  • Naschrihab, ca. 120 - 128 n. Chr.
  • Nasru, ca. 128/29 - 137/138 n. Chr.
  • Wolgasch I., Sohn des Nasru, Datum unklar
  • Sanatruq I., 138/39 -

mlk (Könige)

  • Sanatruq I., - 176/177 n. Chr.
  • Wolgasch (II.?), Sohn des Wolgasch (I.), Datum unklar
  • Adbsamiya, ca. 180 - 201 n. Chr.
  • Sanatruq II., ca. 205 - 240/241 n. Chr.

Forschung

Der erste moderne Forscher, der das Gebiet der Stadt besuchte, war der britische Orientforscher John Rich 1836. Zum ersten Mal ernsthaft erforscht wurde Hatra von den Archäologen der Deutschen Orient-Gesellschaft, die unter Leitung von Walter Andrae in dem 50 km entfernten Ort Assur arbeiteten. Zwischen 1906 und 1911 fertigten sie auf Tagesausflügen einen Gesamtplan der Stadt und ihres Erhaltungszustandes an. In den 1930er Jahren wurden Luftbilder von der Stätte gemacht. 1951 begann die irakische Altertumsverwaltung mit erneuten Ausgrabungen. Seither wurden große Teile der Stadt freigelegt. Die Ausgrabungsteams haben dabei das Glück, dass nach der Zerstörung 240/41 niemals größere Menschenmengen in der Nähe gelebt haben, die, wie es bei anderen Ruinenstätten so oft geschehen ist, die Überreste der Stadt als Quelle für Baumaterial genutzt haben.

In einem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs "Differenz und Integration" werden die Gründe für die Herausbildung der Stadt vor dem Hintergrund der ökonomischen und politischen Interaktion von Nomaden, Sesshaften und Staat diskutiert. Anschließend steht die Frage der Beziehungen zwischen der Stadt, dem König der Araber und den Großmächten, insbesondere dem Arsakidenreich, im Mittelpunkt. Die Funktion Hatras wird dabei als "dimorph", als Bindeglied zwischen Nomaden und Staat, beschrieben. Erst 2006 wurden mit Hilfe der Luftbildarchäologie gewaltige Befestigungsanlagen östlich der Stadt entdeckt, die als das befestigte Lager der Sassaniden während der Belagerung Hatras um 239/40 identifiziert werden konnten.

Siehe auch

  • Hatrene
  • Hatrenisches Feuer

Literatur

  • Klaus Beyer: Die aramäischen Inschriften aus Assur, Hatra und dem übrigen Ostmesopotamien. Göttingen 1998, ISBN 3-525-53645-3.
  • Peter M. Edwell: Between Rome and Persia. The middle Euphrates, Mesopotamia and Palmyra under Roman control. London 2008, ISBN 978-0-415-42478-3.
  • Stefan R. Hauser: Hatra und das Königreich der Araber. In: Josef Wiesehöfer (Hg.): Das Partherreich und seine Zeugnisse (Historia-Einzelschrift 122), Stuttgart 1998, S. 493-528
  • Michael Sommer: Hatra. Geschichte und Kultur einer Karawanenstadt im römisch-parthischen Mesopotamien. Mainz 2003, ISBN 3-8053-3252-1.
  • David J. Tucker / Stefan R. Hauser: Beyond the World Heritage Site. A huge enclosure revealed at Hatra. In: Iraq 68 (2006), S. 183–190.

Weblinks

  • Eintrag. In: Encyclopædia Iranica. (englisch, inkl. Literaturangaben)

Eintrag in der Welterbeliste der UNESCO auf Englisch und auf Französisch

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