Göbekli Tepe (dt. ‚Hügel mit Nabel‘) ist ein vor ca. 11.500 Jahren errichtetes Bergheiligtum, bei dem es sich um die derzeit älteste bekannte Tempelanlage der Welt handelt. Sie wurde wahrscheinlich noch vor der Sesshaftigkeit des Menschen von Wildbeutern errichtet. Die Anlage befindet sich auf dem höchsten Punkt eines langgestreckten Bergzugs etwa 15 km nordöstlich der Stadt Şanlıurfa im Südosten der heutigen Türkei. Sie wird als Langzeitprojekt unter Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts ausgegraben.
Göbekli Tepe war bereits seit Anfang der 1960er Jahre als archäologische Stätte verzeichnet, aber in seiner Bedeutung noch nicht erkannt worden. Der amerikanische Archäologe Peter Benedict hatte sie als möglichen steinzeitlichen Platz erwähnt, die Bedeutung des Platzes wurde damals jedoch nicht erkannt. Im Oktober 1994 erkannte der Archäologe Klaus Schmidt die offenliegenden Befunde auf dem Berg bei einer Begehung als eindeutig steinzeitlich. Er fand einige Hinweise dass es sich um einen großen neolithischen Platz handelte. Seit 1994 führt das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Zusammenarbeit mit dem Museum Şanlıurfa unter der Leitung Schmidts Ausgrabungen und Forschungen durch. Vor Beginn der Grabungen wurde der Hügel landwirtschaftlich genutzt: Generationen von Bauern hatten immer wieder störende ‚Steinbrocken‘ beseitigt und zu großen Haufen aufgeschichtet. Manches wurde dabei aus Unkenntnis zerstört. Die Archäologen erkannten, dass es sich bei dem prominent herausragenden Hügel nicht um eine natürliche Erhebung handeln konnte, später entdeckte man T-Pfeiler. Bauern hatten offenbar versucht, diese großen Steine zu zerschlagen.
Die mächtige Schichtenfolge lässt auf eine mehrtausendjährige Geschichte des Platzes schließen, die vielleicht bis in die Mittelsteinzeit zurückreicht. In der ältesten Siedlungsschicht (Schicht III) kamen monolithische Pfeiler zum Vorschein, die mit grob geschichteten Mauern zu kreisförmigen oder ovalen Anlagen verbunden waren. In der Mitte der Anlagen stehen jeweils zwei noch größere Pfeiler. Bisher wurden vier solcher Gebäude mit Durchmessern zwischen 10 und 30 m entdeckt. Geophysikalische Untersuchungen lassen 16 weitere Anlagen vermuten.
Mehrere aneinander grenzende rechtwinklige Räume mit Estrich aus geschliffenem Kalk, der an Terrazzoböden der römischen Antike erinnert, gehören zur jüngeren Schicht II (Präkeramisches Neolithikum B). Die jüngste Schicht besteht aus Sedimenten, die durch Erosion und durch die landwirtschaftliche Nutzung entstanden sind.
Die Monolithe sind mit Tierreliefs oder abstrakten Piktogrammen verziert. Diese Zeichen stellen zwar kaum eine Schrift dar, aber vielleicht allgemein verständliche heilige Symbole, wie man sie auch in jungsteinzeitlichen Höhlenmalereien gefunden hat. Die Pfeiler sind T-förmig, aber aus einem Stück gehauen. Schmidt interpretiert sie als „die Verkörperung geheimnisvoller Wesen“. In den Querbalken sieht er aber nicht Arme, sondern den Kopf mit vorspringendem Kinn und Hinterkopf in der Seitenansicht, was bedeuten würde, dass die im Kreis stehenden Figuren nach innen auf die zwei mittleren Pfeiler blicken. Die sehr sorgfältig bearbeiteten Reliefs zeigen Löwen, Stiere, Keiler, Füchse, Gazellen, Schlangen, andere Reptilien und Vögel. In einer relativ kleinen Darstellung erkennt Schmidt einen kopflosen Menschen mit erigiertem Penis.
Gerade einmal 1,5 % des gesamten Areals wurden freigelegt, und nur bei der zweiten Anlage (Anlage B) von Schicht III wurde das Fußbodenniveau erreicht. Auch dabei kam ein Terrazzoboden zum Vorschein.
Die bisherigen Grabungen erbrachten kaum Hinweise auf Wohnnutzung. Mit der Radiokarbonmethode konnte das Ende von Schicht III auf etwa 9000 v. Chr. datiert werden, die Anfänge werden derzeit auf mindestens 11000 v. Chr. geschätzt. Schicht II datiert in die Zeit um 8000 v. Chr.
Um 9000 v. Chr. begann die sog. neolithische Revolution mit Ackerbau, Viehzucht und Urbanisierung: Etwa zeitgleich fanden sich 9000 v. Chr. die bislang ältesten Spuren von domestiziertem Getreide (Roggen) in Tell Abu Hureyra am syrischen Euphrat sowie die Anfänge der Siedlung Jericho.
Der Bau der Anlage erforderte bereits komplexe Organisation. Die Archäologen schätzen, dass bis zu 500 Menschen nötig waren, um die 10–20 t (im Einzelfall auch 50 t) schweren Pfeiler in den Steinbrüchen der Umgebung zu brechen und 100–500 m weit zu transportieren. Für die Ernährung wurde vermutlich Wildgetreide intensiver genutzt als bisher, vielleicht auch schon gezielt angebaut. Wohngebäude wurden bislang keine gefunden, wohl aber „Sondergebäude“, die wahrscheinlich für rituelle Zusammenkünfte genutzt wurden. Zu Anfang des 8. Jahrtausends v. Chr. verlor der Nabelberg seine Bedeutung. Ackerbau und Viehzucht stellten das Leben auf eine neue Grundlage. Die Anlage ist aber nicht einfach in Vergessenheit geraten und im Laufe der Zeit durch die Kräfte der Natur verschüttet worden. Sie wurde vielmehr planmäßig mit 300–500 m3 Erde zugeschüttet. Warum dies geschah, ist unklar, aber es hat die Monumente der Nachwelt erhalten.
Die gesamte Anlage wirft noch mehr Fragen auf, als sie den Archäologen und Frühgeschichtlern beantwortet. So ist auch unklar, warum innerhalb der Heiligtümer nachträglich immer wieder Mauern eingezogen wurden.
Göbekli Tepe gilt als Jahrtausendfund. Offensichtlich waren nicht nur sesshafte Bauern, sondern bereits Jäger und Sammler in der Lage, monumentale Kultanlagen zu errichten – oder wie es Klaus Schmidt in seinem Grabungsbericht formulierte: „Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt“. Diese revolutionäre These muss durch zukünftige Grabungen bestätigt oder modifiziert werden. Klaus Schmidt hält die Anlage für einen zentralen Ort für den Totenkult. Die Bestien auf den Tierskulpturen sollten die Toten beschützen. Gräber sind allerdings noch nicht gefunden worden. Er geht davon aus, dass die Tempel bereits mit dem aufkeimenden Neolithikum verbunden waren. Göbekli Tepe befindet sich mit einigen anderen neolithischen Fundorten im Umkreis des Gebietes, in dem Genetiker den Ursprung unseres Kulturgetreides (siehe auch Einkorn) zu finden glauben, dem Berg Karacadağ. Diese Wissenschaftler vermuten dort den Ursprung der neolithischen Revolution, bzw. die ersten Ackerbauern. Klaus Schmidt und andere glauben, dass die dort umherstreifenden Gruppen kooperieren mussten, um die frühen Wildgetreidevorkommen vor den Wildtieren (Herden von Gazellen und Wildeseln) zu schützen. So entstand eine frühe gesellschaftliche Organisation diverser Gruppen rund um die Heiligtümer. Nach Klaus Schmidt begann die neolithische Revolution nicht im kleinen Hausgarten, sondern sogleich im großen Stil gemeinschaftlicher Organisation.
Nicht nur die riesige Dimension, auch das Nebeneinander von „Pfeilerheiligtum an Pfeilerheiligtum“ macht die Anlage einzigartig. Es gibt keine vergleichbaren Großbauten aus dieser Zeit: Nevalı Çori, eine steinzeitliche Siedlung, die seit 1992 am Grund des Atatürk-Stausees begraben liegt, und ebenfalls durch das DAI untersucht wurde, ist um 500 Jahre jünger, die dort gleichfalls gefundenen T-Pfeiler sind bedeutend kleiner, und das Heiligtum befand sich inmitten eines Dorfes; die etwa zeitgleiche Bebauung von Jericho ist ohne künstlerischen Schmuck und großformatige Skulpturen; Çatalhöyük ist 2000 Jahre jünger.
Der Entdecker Klaus Schmidt stellt Überlegungen zu der Glaubenswelt dieser frühen Gruppen anhand von Vergleichen mit anderen Kult- und Fundplätzen an. Er geht von schamanischen Praktiken aus und hält die T-Pfeiler für die Verkörperung mythischer Wesen, vielleicht von Ahnen; während sich ein ausgeprägter Götterglaube vermutlich erst in Mesopotamien, verbunden mit großen Tempelanlagen und Palästen, herausbildete. Dazu passt gut die Überlieferung der Sumerer an den alten Glauben, der Ackerbau, sowie Viehzucht und Webkunst seien von dem heiligen Berg Du-Ku zu den Menschen gebracht worden. Dort lebten die Anunna-Götter. Sie waren Götter aus einer sehr alten Zeit ohne individuelle Namen. Für Klaus Schmidt ist es eine schöne Vorstellung, dass dieser Ur-Mythos im alten Orient die Erinnerung an das Neolithikum auf diese Weise bewahrt hat.