Kernkraftwerk Flamanville

Das Kernkraftwerk Flamanville befindet sich am Fuße eines 70 Meter hohen granitartigen Felsens an der Westküste der französischen Halbinsel Cotentin am Ärmelkanal. Das Kernkraftwerk besteht aus zwei in Betrieb befindlichen Druckwasserreaktoren, sowie einem seit Dezember 2007 in Bau befindlichen Reaktor des Typs Europäischer Druckwasserreaktor (EPR). Der Standort liegt bei der Gemeinde Flamanville in der Region Normandie im Département Manche, etwa 25 Kilometer westlich von Cherbourg und 20 Kilometer südlich der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague.

Das Kernkraftwerk beschäftigt etwa 700 Personen und wird von der staatlich dominierten französischen Gesellschaft Électricité de France (EDF) betrieben. Zur Kühlung wird Wasser aus dem Ärmelkanal genutzt.

Die zwei Druckwasserreaktoren haben eine Nettoleistung von jeweils 1330 Megawatt (MW) und eine Bruttoleistung von 1382 MW. Die installierte Gesamtleistung liegt bei 2764 MW; damit zählt das Kernkraftwerk zu den mittleren in Frankreich. Pro Jahr speist es durchschnittlich 18 Milliarden Kilowattstunden in das öffentliche Stromnetz über das Umspannwerk von L’Étang-Bertrand ein; dies entspricht dem jährlichen Bedarf an elektrischer Energie der Regionen Basse-Normandie und der Bretagne. Es liefert damit ungefähr drei Prozent des französischen Bedarfs an elektrischer Energie.

Geschichte

Baubeginn für den ersten Reaktorblock war am 1. Dezember 1979, er ging am 4. Dezember 1985 in Betrieb. Um das Kernkraftwerk zu bauen, musste eine hohe Klippe gesprengt werden. Mit dem Bau des zweiten Reaktorblockes wurde am 1. Mai 1980 begonnen, die Inbetriebnahme war am 18. Juli 1986.

Erweiternder Neubau eines Europäischen Druckwasserreaktors (EPR)

Am 21. Oktober 2004 gab der Elektrizitätskonzern EDF die Errichtung eines dritten Reaktors bekannt: Dabei handelt es sich um ein Exemplar der dritten Generation des Europäischen Druckwasserreaktors (EPR), der seit 1992 von der französischen Atomholding Areva und Siemens entwickelt wurde. Dieser solle als zweiter seiner Bauart in Betrieb genommen werden (nach dem finnischen Reaktor III im Kernkraftwerk Olkiluoto, in Bau seit 12. August 2005) und die Leistung bei 1650 MW liegen. Der Baubeginn war am 3. Dezember 2007, EDF erwartete/prognostizierte ursprünglich eine Fertigstellung 2012 und plante mit Baukosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro.

Im Neuantrag der EdF von Anfang Oktober 2015 für im Frühjahr 2018 auslaufende erste Genehmigung für den Neubau wurden die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Fessenheim als im Tausch für die Inbetriebnahme des EPR-Reaktors Flamanville stillzulegende genannt.

Probleme beim Bau und Verdreifachung der Kosten

Ende 2008 erklärte Areva, die Bauzeit verzögere sich bis 2013 und die Baukosten würden 4 Milliarden Euro betragen. In der Halbjahresbilanz für das 1. Halbjahr 2010 schrieb EDF, der kommerzielle Betrieb werde für 2014 erwartet; die Kosten würden „ungefähr 5 Milliarden Euro“ betragen.

Im Juli 2011 schätzte EDF die Kosten auf 6 Milliarden Euro und die Inbetriebnahme auf 2016. Im Dezember 2012 gab EDF bekannt, die Baukosten des EPR seien auf 8,5 Milliarden Euro gestiegen. Anfang Dezember 2012 gab der italienische Konzern Enel EDF seinen 12,5-%-Anteil am EPR zurück, verlangte rund 613 Millionen Euro an Investitionen zurück und äußerte, der Reaktor werden wegen der hohen Investitionskosten nie wirtschaftlich sein. Kolportiert wurden Ende 2012 Stromgestehungskosten von circa 7–10 ct/kWh über die gesamte Betriebsdauer, der Finanznachrichtendienst Bloomberg L.P. vermutete 7,2 ct/kWh.

Ende Januar 2012 legte der Oberste Rechnungshof in Frankreich eine umfangreiche Studie zu den Kosten der Kernenergie vor:

„Die Bau- und Planungskosten (79.751 Mio. €2010), heruntergerechnet auf die Reaktorleistung, stiegen mit der Zeit von 1,07 Mio. €2010/MW im Jahr 1978 (Fessenheim) auf 2,06 Mio. €2010 im Jahr 2000 (Chooz 1 und 2) bzw. auf 1,37 Mio. €2010 im Jahr 2002 (Civaux) bei einem Durchschnitt von 1,25 Mio. €2010/MW für die 58 Reaktoren. Diese Erhöhung steht vor allem mit den immer höheren Sicherheitsanforderungen im Zusammenhang. Auch wenn ein genauer Vergleich nicht möglich ist, da die abschließenden Gesamtkosten eines EPR unbekannt sind, konnte der französische Rechnungshof feststellen, dass die Baukosten im Verhältnis zur Leistung in MW mit dieser neuen Generation, die von Anfang an umfangreiche Sicherheitsauflagen erfüllen musste, weiter gestiegen sind. Bei geschätzten Baukosten von 6 Mrd. € für den EPR Flamanville (erster Reaktor der Baureihe) und einer Leistung von 1.630 MW betragen die Kosten pro MW 3,7 Mio. €.“

Im November 2014 gab Areva bekannt, der EPR werde voraussichtlich 2017 in Betrieb gehen.

Anfang April 2015 gab die französische Atomsicherheitsbehörde ASN bekannt, von Areva über Anomalien im Stahl in bestimmten Bereichen des neuen Reaktordruckbehälters - im Boden und im Deckel - informiert worden zu sein. Die französische Umweltministerin Ségolène Royal forderte den Hersteller Areva auf, Konsequenzen aus diesem Problem zu ziehen. ASN solle bis Oktober 2015 eine Studie zu der Schwere dieser Materialfehler vorlegen. Laut Pierre-Franck Chevet, dem Vorsitzenden der ASN, seien die gefundenen Anomalien „sehr ernst“ und könnten zur Rissbildung führen. Sollten sich die Prognosen durch die genauere Untersuchung bestätigen, bestünde nur die Möglichkeit eines Tauschs des gesamten Druckbehälters, was mehrere Jahre Verzögerung und noch höhere Kosten bedeuten würde, oder die Aufgabe des Kraftwerksprojektes. Neben Flamanville, dessen Kosten 2015 auf 9 Mrd. Euro beziffert wurden, könnten von den Problemen auch fünf weitere in Bau befindliche EPRs betroffen sein. Im Juli 2015 wurde bekannt, dass der Stahl des Druckgefäßes, das später die Kernspaltung umschließen soll, nicht die erforderliche Festigkeit aufweise. Deshalb ordnete die französische Atomaufsicht ASN einen neuen Test an, bei denen ein baugleicher Reaktordeckel, der bisher für das geplante Kernkraftwerk Hinkley Point vorgesehen war, zerstört werden müsse. Im Juni 2017 kam die ASN zur Auffassung, dass der vorgesehene Druckbehälter trotz der vorgefundenen Schwachstellen den Sicherheitsanforderungen genügt, allerdings bei geringerem Sicherheitsspielraum. Daher ordnete sie regelmäßige Überprüfungen am Boden des Druckbehälters sowie den Austausch des Reaktordeckels im Jahre 2024 an.

Im Juni 2015 berichtete die taz, dass es Funktionsschwierigkeiten bei den Sicherheitsventilen gebe.

Im August 2015 gab EDF bekannt, dass die Kosten auf 10,5 Milliarden Euro steigen würden und das Kraftwerk nicht vor 2018 in Betrieb gehen werde; Im September 2015 verschob EDF den Termin erneut auf Ende 2018, womit sich die Inbetriebnahme des Reaktors im Vergleich zur ursprünglichen Planung um sechs Jahre verzögerte. Anfang September sprach auch der amtierende EDF-Chef Jean-Bernard Lévy von Baukosten von 10,5 Mrd. und einer Inbetriebnahme nicht vor dem Herbst 2018.

Im April 2018 teilte EDF mit, die im Februar berichteten Probleme mit Schweißnähten seien schlimmer als erwartet. Im Laufe der aktuellen Überprüfungen und des Lizenzierungsprozesses durch die ASN will EDF fähig sein nötige Änderungen des Zeit- und Kostenrahmens zu spezifizieren.

Im Juli 2018 wurde die Beladung mit Brennstäben auf das 4. Quartal 2019 festgesetzt, so dass eine Inbetriebnahme nicht vor 2020 zu erwarten ist. Die Gesamtkosten wurden mit 10,9 Milliarden Euro beziffert.

Sicherheit

Im Falle eines starken Erdbebens könnte es bei den bestehenden Blöcken zum Versagen der Notkühlung kommen. Einem Bericht der Atomsicherheitsbehörde ASN im Oktober 2002 zufolge könnte die Funktionsfähigkeit eines sicherheitsrelevanten Ventils, das das Abkühlen der Reaktorblöcke gewährleisten soll, bei einem Erdbeben nicht sichergestellt werden.

Der geplante EPR soll unter anderem durch eine doppelte Außenhülle und einen so genannten Core-Catcher höchsten Sicherheitsansprüchen genügen. Bei letzterem soll ein Keramikbecken eine eventuelle Kernschmelze auffangen können. Der Nuklearkonzern Areva schätzt bei diesem Reaktortyp die Unfallgefahr um das Zehnfache niedriger als bei älteren Generationen ein. Der EPR ist auf eine Niederdruck-Kernschmelze ausgelegt; eine Hochdruckkernschmelze wird durch manuelles Öffnen eines Ventils in eine Niederdruckkernschmelze überführt.

Störfälle

Am 21. Januar 2002 kam es durch eine falsche Installation von Kondensatoren zu Fehlern im Kontrollsystem und an Sicherheitsventilen. Die Kosten des Zwischenfalls werden auf 119 Millionen Dollar geschätzt.

Am 9. Oktober 2015 befand sich Block 2 im Revisions-Stillstand. Der gesamte Reaktorkern war dabei vorübergehend ins Abklingbecken ausgelagert worden. Einer der Transformatoren der externen Stromversorgung befand sich gerade in Revision, als der andere seinen Dienst versagte. Um das Abklingbecken, das mit dem ausgelagerten Kern eine außergewöhnlich hohe Nachzerfallswärme entwickelte, ausreichend zu kühlen, musste ein Notstrom-Dieselgenerator zugeschaltet werden (sogenannter Notstromfall). Es dauerte einige Tage, bis der defekte Transformator repariert war.

Am 9. Februar 2017 kam es um 9:30 Uhr in einem nicht-nuklearen Bereich zu einer Explosion im Maschinenraum des Kernreaktors Flamanville 1. Fünf Personen erlitten durch den Brand Rauchvergiftungen. Radioaktivität trat bei der Explosion laut Betreiber Électricité de France jedoch nicht aus. Der Direktor des Kabinetts der Präfektur La Manche, Olivier Marmion, sagte in einem Interview um 12:10 Uhr, dass das Feuer durch einen Kurzschluss an der Hülle eines Lüfters ausgebrochen war. Der Reaktor sollte vorerst bis zum 31. März 2017 vom Netz bleiben, was später aber auf den 31. Mai verlängert wurde.

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Flamanville hat insgesamt zwei in Betrieb befindliche Blöcke und einen in Bau befindlichen Block:

Reaktorblock Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Abschal-
tung
Flamanville-1 Druckwasserreaktor 1330 MW 1382 MW 01.12.1979 04.12.1985 01.12.1986
Flamanville-2 Druckwasserreaktor 1330 MW 1382 MW 01.05.1980 18.07.1986 09.03.1987
Flamanville-3 EPR (DWR) 1600 MW 1650 MW 03.12.2007 ursprünglich für 2012 geplant, jetzt nicht vor

Siehe auch

  • Liste der Nuklearanlagen in Frankreich
  • Liste der Kernkraftwerke

Weblinks

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