Das CERN (auch der CERN wegen frz. le conseil = der Rat), die Europäische Organisation für Kernforschung (die Abkürzung CERN leitet sich vom früheren franz. Namen Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire ab), ist eine Großforschungseinrichtung in der Nähe von Genf in der Schweiz.
Am CERN wird vielfältige physikalische Grundlagenforschung betrieben, bekannt ist es vor allem für seine großen Teilchenbeschleuniger.
Derzeit hat das CERN 20 Mitgliedstaaten. Mit seinen etwa 3.400 Mitarbeitern (Stand: 31. Dezember 2007) ist das CERN das weltgrößte Forschungszentrum auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Über 8.000 Gastwissenschaftler aus 85 Nationen arbeiten an CERN-Experimenten. Das Jahresbudget des CERN belief sich 2009 auf ungefähr 1,1 Milliarden Schweizer Franken (724 Millionen Euro).
Mit den Teilchenbeschleunigern des CERN wird die Zusammensetzung der Materie erforscht, indem Teilchen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht werden. Mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Teilchendetektoren werden dann die Flugbahnen der in den Kollisionen entstehenden Teilchen rekonstruiert. Daraus lassen sich die Eigenschaften der kollidierten und neu entstandenen Teilchen bestimmen. Dies ist mit enormem technischen Aufwand für den Betrieb und mit extremen Rechenleistungen zur Datenauswertung verbunden. Auf Grund des Aufwandes ist das Großforschungsprojekt ein international finanziertes Projekt. Teile der Beschleunigeranlagen sind unter anderem das Super Proton Synchrotron (SPS) für die Vorbeschleunigung und der Large Hadron Collider (LHC; Großer Hadronen-Speicherring) für die eigentlichen Experimente.
Das Hauptgelände des CERN liegt bei Meyrin (Kanton Genf) in der Schweiz, nahe der Grenze zu Frankreich; Teile der Beschleunigerringe und auch einige unterirdische Experimentierplätze befinden sich geografisch auf französischem Staatsgebiet, gehören aber trotzdem administrativ zur Schweiz.
Von der UNESCO wurde das Gebiet des CERN als exterritoriales Gebiet ausgewiesen. Aufgrund von Sitzabkommen des CERN mit der Schweiz und Frankreich gilt hier kein nationales Recht.
Das CERN hat damit, wie auch das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie als internationales Forschungszentrum eine besondere Stellung. Das oberste Entscheidungsgremium der Organisation ist der Rat des CERN, in welchen alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen jeweils zwei Delegierte entsenden: einen Repräsentanten der Regierung und einen Wissenschaftler.
Die Gründungsmitglieder 1954 waren die Schweiz, Belgien, Dänemark, (West-)Deutschland, Frankreich, Griechenland, Vereinigtes Königreich, Italien, Jugoslawien (bis 1961), Niederlande, Norwegen und Schweden.
Es folgten weitere Staaten: Österreich (1959), Spanien (1961–1968 und ab 1983), Portugal (1986), Finnland (1991), Polen (1991), Ungarn (1992), Tschechische Republik (1993), Slowakische Republik (1993) und Bulgarien (1999).
Mitgliedstaat | Anteil | Mio. CHF | Mio. EUR. |
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Deutschland | 19,88 % | 218,6 | 144,0 |
Frankreich | 15,34 % | 168,7 | 111,2 |
Vereinigtes Königreich | 14,70 % | 161,6 | 106,5 |
Italien | 11,51 % | 126,5 | 83,4 |
Spanien | 8,52 % | 93,7 | 61,8 |
Niederlande | 4,79 % | 52,7 | 34,7 |
Schweiz | 3,01 % | 33,1 | 21,8 |
Polen | 2,85 % | 31,4 | 20,7 |
Belgien | 2,77 % | 30,4 | 20,1 |
Schweden | 2,76 % | 30,4 | 20,0 |
Norwegen | 2,53 % | 27,8 | 18,3 |
Österreich | 2,24 % | 24,7 | 16,3 |
Griechenland | 1,96 % | 20,5 | 13,5 |
Dänemark | 1,76 % | 19,4 | 12,8 |
Finnland | 1,55 % | 17,0 | 11,2 |
Tschechien | 1,15 % | 12,7 | 8,4 |
Portugal | 1,14 % | 12,5 | 8,2 |
Ungarn | 0,78 % | 8,6 | 5,6 |
Slowakei | 0,54 % | 5,9 | 3,9 |
Bulgarien | 0,22 % | 2,4 | 1,6 |
gesamt | 100 % | 1098,6 | 724,0 |
Wechselkurs: 1 CHF = 0,659 EUR (25. Mai 2009)
Beobachterstatus haben gegenwärtig die Europäische Kommission, Indien, Israel, Japan, Russland, die Türkei, die USA sowie die UNESCO.
Weitere 36 Staaten sind als Nichtmitglieder an CERN-Programmen beteiligt: Algerien, Argentinien, Armenien, Australien, Aserbaidschan, Brasilien, Canada, Chile, China, Estland, Georgien, Island, Iran, Irland, Kolumbien, Kroatien, Kuba, Litauen, Mexiko, Montenegro, Marokko, Neuseeland, Pakistan, Peru, Rumänien, Serbien, Slowenien, Südafrika, Südkorea, Taiwan, Thailand, Ukraine, Vietnam, Weißrussland und Zypern.
Nach zwei UNESCO-Konferenzen in Florenz und Paris unterzeichneten elf europäische Regierungen die Vereinbarung zu einem provisorischen CERN. Im Mai 1952 traf sich der provisorische Rat zum ersten Mal in Paris. Am 29. Juni 1953, auf der 6. Konferenz des provisorischen CERN in Paris, unterzeichneten Vertreter der zwölf europäischen Staaten die Gründungsurkunde. Im Oktober 1953 wurde auf einer Konferenz in Amsterdam der Sitz des CERN und dessen Laboratoriums in der Nähe von Genf bestimmt. Am 24. Februar 1954 erfolgte die 1. Konferenz des CERN-Rates nach der Gründung in Genf. Am 29. September 1954 ratifizierten sieben der zwölf Mitgliedstaaten den Staatsvertrag zur Gründung. Am 10. Juni 1955 erfolgte die Grundsteinlegung des CERN-Laboratoriums durch Felix Bloch, den ersten regulären Generaldirektor des CERN.
Ursprünglich war das CERN vor allem für Forschung im Bereich der Kernenergie vorgesehen, schon bald entstanden aber die ersten Teilchenbeschleuniger. 1957 wurde das Synchro-Zyklotron (SC), das Protonen auf bis zu 600 MeV beschleunigt, in Betrieb genommen, das erst nach über 33 Jahren Betrieb 1990 abgeschaltet werden sollte. Am 24. November 1959 folgte das Protonen-Synchrotron (PS) mit einer (damals weltweit höchsten) Protonenergie von 28 GeV, es arbeitet heute noch als Vorbeschleuniger. 1965 erfolgte eine Vereinbarung mit Frankreich, die geplanten Protonen-Speicherringe, Intersecting Storage Rings (ISR) genannt, auch auf französischen Boden auszubauen. 1968 erfand Georges Charpak einen Teilchendetektor, der in einer gasgefüllten Kammer eine große Anzahl parallel angeordneter Drähte zur besseren Orts- und Energieauflösung enthielt. Er revolutionierte mit dieser Drahtkammer den Teilchennachweis und erhielt 1992 den Nobelpreis für Physik. 1970 belief sich das Budget des CERN auf 370 Millionen Schweizer Franken. Die Kosten wurden 1970 zu 23 % durch die Bundesrepublik Deutschland, zu 22 % durch das Vereinigte Königreich und zu 20 % von Frankreich getragen.
1970/71 gingen die großen Blasenkammern Gargamelle und BEBC zur Untersuchung von Neutrino-Reaktionen in Betrieb. 1971 wurde auch der ISR fertiggestellt. 1973 gelang mit Gargamelle die Entdeckung der neutralen Ströme der Z0-Teilchen durch André Lagarrigue. 1976 folgte als neuer Beschleuniger das Super-Protonen-Synchrotron (SPS), das auf einem Bahnumfang von 7 km Protonen mit 400 GeV liefert. 1981 wurde es zum Proton-Antiproton-Collider ausgebaut; dabei wurde die Technik der stochastischen Kühlung von Simon van der Meer genutzt. Im Mai 1983 wurden am CERN die W- und Z-Bosonen entdeckt, Carlo Rubbia und Simon van der Meer erhielten dafür 1984 den Nobelpreis.
Im August 1989 ging der Large Electron-Positron Collider (LEP) in Betrieb. In einem Tunnel von 27 km Länge trafen hier an ausgewählten Stellen Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, mit Energien von 100 GeV aufeinander. 1996 wurden am LEAR-Speicherring (Low Energy Antiproton Ring) erstmals Antiwasserstoffatome produziert, es gab dabei erste Hinweise auf geringfügige Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie (CP-Verletzung), was 2001 durch ein weiteres Experiment bestätigt wurde.
1999 begannen die Bauarbeiten für den Large Hadron Collider (LHC), der den Tunnel des LEP übernahm, der dafür im Jahr 2000 abgeschaltet wurde. Noch im selben Jahr hatte es einen ersten Hinweis auf die Entstehung eines Quark-Gluon-Plasmas am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) gegeben, Folgeexperimente am LHC mit dem ALICE-Detektor sind vorgesehen. 2002 gelang die Produktion und Speicherung von mehreren tausend „kalten“ Antiwasserstoff-Atomen durch die ATHENA-Kollaboration, ebenso begann die Datenaufnahme im COMPASS-Experiment. Mit mehreren Staaten, die nicht zu CERN gehören, wurden Kooperationsvereinbarungen für die LHC-Nutzung abgeschlossen, bisher mit Indien, Japan, Kanada, Russland und den USA.
Am LHC sollen Energien erreicht werden, die in herkömmlichen Teilchenbeschleunigern bisher nicht möglich waren (bis 14 TeV). Die sind für die Suche nach dem Higgs-Boson, sowie schweren supersymmetrischen Teilchen notwendig; weiterhin für die genauere Untersuchung des Quark-Gluon-Plasmas.
Damit Kollisionen bei sehr hohen Energien durchgeführt werden können, muss der Speicherring auf Betriebstemperatur heruntergekühlt und dann kontrolliert hochgefahren werden. Am 8. August 2008 wurden die ersten Protonen in den LHC geschossen, am 10. September 2008 folgte der erste offizielle Rundumlauf von Protonen. Noch vor dem 21. Oktober 2008 sollte es zu den ersten Protonen-Kollisionen kommen; dieser Termin konnte jedoch auf Grund der erzwungenen Abschaltung nach einem Problem nicht eingehalten werden. Am 23. Oktober 2009 wurden erneut Protonen in den Tunnel injiziert. Ab wann die volle Leistung des LHC erreicht wird, bei der Temperaturen entstehen, die 100.000 mal heißer sind, als es im Inneren der Sonne der Fall ist, ist noch unbekannt.
Name | Amtsperiode | Amt | Herkunft | Lebensdaten |
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Edoardo Amaldi | September 1952–September 1954 | Generaldirektor des provisorischen CERN | Italien | 1908–1989 |
Felix Bloch | Oktober 1954–August 1955 | Generaldirektor des CERN | Schweiz/USA | 1905–1983 |
Cornelis Jan Bakker | September 1955–April 1960 | Niederlande | 1904–1960, verstarb durch Flugzeug-Absturz | |
John Bertram Adams | Mai 1960–Juli 1961 | Großbritannien | 1920–1984 | |
Victor Frederick Weisskopf | August 1961–Dezember 1965 | Generaldirektor | Österreich/USA | 1908–2002 |
Bernard Paul Gregory | Januar 1966–Dezember 1970 | Frankreich | 1919–1977 | |
Willibald Karl Jentschke | Januar 1971–Dezember 1975 | Generaldirektor für das CERN Laboratorium I in Meyrin (Schweiz) | Österreich | 1911–2002 |
John Bertram Adams | Januar 1971–Dezember 1975 | Generaldirektor für das CERN Laboratorium II | Großbritannien | 1920–1984 |
John Bertram Adams | Januar 1976–Dezember 1980 | geschäftsführender Generaldirektor | Großbritannien | 1920–1984 |
Léon Van Hove | Januar 1976–Dezember 1980 | Direktor der Theorieabteilung des CERN | Belgien | 1924–1990 |
Herwig Schopper | Januar 1981–Dezember 1988 | Generaldirektor | Deutschland | * 1924 |
Carlo Rubbia | Januar 1989–Dezember 1993 | Generaldirektor | Italien | * 1934 |
Christopher Llewellyn Smith | Januar 1994–Dezember 1998 | Großbritannien | * 1942 | |
Luciano Maiani | Januar 1999–Dezember 2003 | Generaldirektor | Italien | * 1941 |
Robert Aymar | Januar 2004–Dezember 2008 | Generaldirektor | Frankreich | * 1936 |
Rolf-Dieter Heuer | Januar 2009–Dezember 2013 | Generaldirektor | Deutschland | * 1948 |
Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleinerer Experimente.
Am CERN wurde unter anderem auch die Idee des World Wide Web von Tim Berners-Lee auf den Weg gebracht.
Derzeit ist man am CERN intensiv mit der Entwicklung eines World Wide Grid beschäftigt, einem System für verteiltes Rechnen. Dieses wird benötigt, um die ungeheuren Datenmengen, die ab Oktober 2009 an den drei großen Experimenten (ATLAS, CMS, LHCb) des LHC anfallen, zu verarbeiten.